25 Jahre Studiengang Drucktechnik
10.11.2017
Eine Branche steht Kopf, ein Studiengang ist in Bewegung. 25 Jahre Studiengang Drucktechnik – ein Grund zum Feiern und Nachdenken.
Der Hörsaal im Nieper-Bau der HTWK Leipzig hat sich am Freitag Nachmittag mit zahlreichen Gästen gefüllt – Absolventen und Studenten der aktuellen Matrikel, Kollegen und ehemalige Mitarbeiter, Kollegen von Institutionen und befreundeten Hochschulen. Prof. Holger Zellmer, der mit Beginn des Wintersemesters das Amt des Studiendekans übernommen hat, begrüßt das Auditorium.
In einer Laudatio wandte sich Prof. Albert G. Burkhardt an das Publikum, leider nicht persönlich; aus gesundheitlichen Gründen ist die weite Reise für den Gründungsdekan des einstigen Fachbereiches Polygrafische Technik an der 1992 neu gegründeten Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig nicht möglich gewesen, was er sehr bedaure. Seine Worte wurden durch Robert Baumann und Kilian Menzel vorgetragen, Studenten im Masterstudiengang und Deutschlandstipendiaten.
Prof. Burkhardt ließ die Gründung der HTWK Leipzig und des Fachbereiches Revue passieren, er führte die Zuhörer in die Ereignisse vor 25 Jahren.
Drei einprägsame Erlebnisse „mit den Ossis“ habe es für ihn gegeben; einen Urlaubskontakt zu einer Leipziger Familie schon vor 1989, den Mauerfall, von dem er auf einer Tagung in Buenos Aires hörte, und schließlich den Auftrag von Lothar Späth, damaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, bei der Erarbeitung eines Konzeptes für eine sächsische Fachhochschule mitzuwirken.
Ziel der Arbeit war die Gründung einer Fachhochschule. Doch was ist zu bedenken bei der Strukturierung der Ausbildung? Welche Studiengänge gilt es aufzustellen? Auch Detailfragen waren zu klären, wie die Länge der Praxisphase und ihre Semesterlage, Themengebiete und Prüfungsleistungen. Und wie oft darf eine Prüfung wiederholt werden?
Burkhardt erinnert an erste Begegnungen mit den Leipziger Kollegen und denen der anderen Bildungseinrichtungen im Frühjahr 1992, erwähnt wöchentliche Treffen. Eingeprägt hat sich die Kollegialität der Leipziger, die die Gründungsmitglieder regelmäßig mit ihren privaten PKW vom Flughafen abholten.
Eine gewisse Unsicherheit war unter dem Kollegium in Leipzig entstanden. „Was machen die ,Wessis´ hier?“ In einem offenen Gespräch konnten Unwissenheiten ausgeräumt werden, eine gegenseitige Annäherung begann, denn es ging nicht um Bevormundung, sondern um gleichberechtigten Umgang miteinander.
Die Studiengänge Drucktechnik, Verlagsherstellung und Verpackungstechnik entstanden, wurden mit fachspezifischen Inhalten gefüllt und gingen im Wintersemester 1992-93 an den Start. Mit Gründung des Fachbereiches fanden auch die ersten Berufungsverfahren statt, und neun Professorenstellen konnten besetzt werden.
Die Gründungsmonate waren von intensiver fruchtbringender, kollegialer Zusammenarbeit geprägt. Für seine engagierte Arbeit wurde der Gründungsdekan mit der Gutenberg-Medaille ausgezeichnet, was Burkhardt nach wie vor als eine große Ehre ansieht. Ein kleiner, aber sehr bedeutender Lebensabschnitt sei damit zu Ende gegangen.
Ein Dank geht an alle, die ihn begleitet haben, und an die Absolventen richtet er besondere Wünsche für Erfolg.
Eine Branche steht Kopf. „Ob Drucktechniker, Verpacker oder Verlagshersteller, wir alle sind geprägt von der Liebe zu den Rasterpunkten. Doch die digitale Welt hat uns eingeholt.“ So repräsentiert es das Logo, auf dem Rasterpunkte gemeinsam mit 0en und 1en der Zukunft entgegen streben. Und ebenso beginnt Prof. Ulrike Herzau-Gerhardt, ehemalige, langjährige Studiendekanin, ihre Gedanken über die Branche und einen Streifzug durch 25 Jahre Wandlung und Veränderung.
Die Aufzählung ausgewählter Meilensteine des vergangenen Vierteljahrhunderts beginnt 1993 mit dem ersten Pentium-Prozessor von Intel, wohl nur für die Älteren im Raum ein Hype. Der Beginn des E-Commerce mit amazon, Windows 95 von Microsoft, die Programmiersprache Java, Google und YouTube, iPhone und Android bis hin zu Industrie 4.0 – die Beispiele sind Wurzeln einer technischen Entwicklung unserer Branche, die mit Gutenberg zunächst nichts zu tun haben. Und die eigentlich alles mit Drucktechnik zu tun haben.
Das gedruckte Bild mit seiner fröhlichen Farbigkeit war lange Zeit Dreh- und Angelpunkt. 1992 im Bewusstsein um die Schwarze Kunst definierte man das Drucken als Informationsübertragung. Das gilt heute immer noch, aber in technischen Anwendungen wird Drucken zunehmend als Beschichtungsprozess im Sinne der Fertigungstechnik aufgefasst, was nicht bei jedem gelernten Drucker sofort auf Verständnis stößt.
Aber genau hier liegen die Chancen für die Druckindustrie. Die Struktur der Druckproduktion beinhaltet natürlich nach wie vor Publikationsdrucke wie Buch, Flyer und Visitenkarte, ebenso den breiten Verpackungsdruck. Doch erwächst zunehmend das Verständnis, auch Dekor- und Textildruck, Sicherheits- und Wertpapierdruck, 3D- und Körperdruck sowie den gesamten Bereich des Funktionsdrucks einzubeziehen.
Ein zweiter geschichtlicher Rückblick über die vergangenen 25 Jahre umspannt den Studiengang Drucktechnik. Nach Beginn der Ausbildung in den Diplomstudiengängen Drucktechnik, Verlagsherstellung und Verpackungstechnik am Fachbereich Polygrafische Technik gehören zu den wesentlichen historischen Etappen der Zusammenschluss der Fachbereiche Buch und Museum und Polygrafische Technik zum Fachbereich Medien, die Umstellung der Ausbildung auf Bachelor und Master und der Umzug an den Campus in zwei Phasen. „Ein bisschen wie DDR“ ist der Blick zum Gutenbergplatz auf einigen Fotos.
Drucken ist Vielfalt und Mehrwert. Das spiegelt sich heute im Curriculum des Studienganges wider. Drucken bleibt spannend.
Die Podiumsdiskussion greift den Gedanken der Vielfalt auf. Die Teilnehmer, samt Absolventen des Studiengangs, vertreten die verschiedenen Bereiche der Branche.
Enrico Hahn, Matrikel 2012 und somit der „frischste“ Absolvent, ist in seinen Ausbildungsbetrieb zurückgekehrt und als Qualitätsmanager in der Etikettenfertigung tätig. Dabei könne er das Wissen aller Professoren anwenden.
Der „Rentner“ in der Runde, Lars Reinecke vom „Start-Up-Jahrgang 1992“, hatte sich nach einer Ablehnung in Stuttgart auf Empfehlung von Prof. Burkhadt in Leipzig beworben. „Seien Sie Pionier und gehen Sie nach Leipzig“. Sein Berufsweg zieht sich seitdem durch die Verlagswelt, wo er heute international für operative Geschäfte verantwortlich ist.
Vertreten sind weiterhin Wellpappherstellung bei Smurfit Kappa, Vorstufentätigkeit im Verpackungsdruck und Qualitätssicherung in der Bundesdruckerei. Spannend wird es insbesondere bei Martin Dupke, der in der Solarwelt angekommen ist, sowie bei Katja Bengsch, die zwar die Branche verlassen hat, aber auf ihre Kenntnisse aus dem Studium nach wie vor vertraut, wenn es um das Beschichten von Brillengläsern geht.
Wie sehen die Diskussionsteilnehmer diese unterschiedlichen Felder?
Die Farbe darf nicht nur hübsch bunt sein, so Ole Rolff, im Verpackungsdruck spielen auch Fettechtheit, Siegelfähigkeit, UV-Bestand und andere Eigenschaften eine Rolle. Im Bereich der Solarzellenherstellung habe sich unter gegebenen Anforderungen kein anderes Druckverfahren zum Verdrucken von Aluminiumpasten durchsetzen können als der Siebdruck, so Dupke.
Ein Blick in die Verlagswelt zeigt, dass das E-Book stagniert und Print hier wieder Zuwuchs gewinnt. Auch amazon druckt – digital und on demand. Und Vorstufenkenntnisse zur Bilddatenverarbeitung gewinnen für ganz andere Branchen an Bedeutung, so in der Automobilindustrie für autonom fahrende Fahrzeuge.
Mit dem Gedanken an Antennendruck und Beschichtung wie für sicherheitsrelevante Dokumente entfernen wir uns vom klassischen Bild des Druckers. Einen Fokus sieht Katja Bengsch im 3D-Druck, auf den es die Erfahrung des Druckens zu übertragen gilt. Per APP den Fuß scannen, zum nächsten Geschäft gehen und sich die Turnschuhe ausdrucken lassen – was werden adidas und Nike dazu sagen? Auch Ole Rolff hat eine Vision: wir drucken nur noch schwarz-weiß und bekommen alle Informationen per Datenbrille.
Welchen Ratschlag geben die Podiumsteilnehmer den jungen Studenten mit auf den Weg? Da kommen einige Tipps zusammen!
Enthusiasmus, Elan, Selbstbestimmung. Traut Euch was zu, kämpft Euch durch und geht auf Leute zu. Seid nicht zögerlich, so der explizite Aufruf von Katja Bengsch an die Frauen der Drucktechnik.
Es ist nicht damit getan, den Abschluss in der Tasche zu haben. Das Studium kann nur Basics vermitteln, Eigeninitiative und lebenslanges Lernen sind angesagt. Auch das Nachdenken über eine Selbständigkeit lohnt, empfiehlt Enrico Hahn. Wichtig sei, einen Weg einzuschlagen, der einem liegt und glücklich werden lässt.
In wenige Stichworten fasst Prof. Zellmer den offiziellen Teil der Festveranstaltung abschließend zusammen: Seid begeisterungsfähig, arbeitet projektorientiert, befasst Euch mit mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen, beschäftigt Euch mit Betriebswirtschaftslehre, aber überbewertet sie in unserer technischen Ausbildung nicht, und bleibt offen für ein lebenslanges Lernen.
Mit einem Glas Sekt ging der offizielle Teil der Feier in eine lockere Atmosphäre über. Bis in die Abendstunden hielten die Gespräche an, gab es Überraschung und Freude über unerwartete Gesichter und Neugier, was aus dem Einzelnen geworden ist.
Ein herzlicher Dank geht an alle Organisatoren, Sponsoren und Helfer für den gelungenen Tag.
Text: Inés Heinze
Fotos: Inés Heinze, Klaus Wolf