PET-Flaschen, Aluminiumtuben, der kleine Hunger und vieles mehr
02.10.2018
Studenten der Verpackungstechnik auf Exkursion
Das Interesse an der diesjährigen Exkursion ist bei den Verpackungsstudenten des angehenden dritten und fünften Fachsemesters groß gewesen, was die Beteiligung, rege Diskussionen und Fragestellungen in den Unternehmen zeigten.
Auftakt bildete der Besuch bei der Firma Krones, Neutraubling, deren Kerngeschäft die Herstellung von Abfüll- und Verpackungstechnik ist. Dazu zählen unter anderem Streckblasanlagen, Füllmaschinen und Etikettiertechnik; auch der Digitaldruck direkt auf die Flaschen spielt eine Rolle.
Martina Birk, Abteilung Forschung und Entwicklung, rückte in einem Vortrag enviro, das Nachhaltigkeitskonzept von Krones, in den Vordergrund. Das TÜV-zertifizierte Managementsystem ist objektiver Standard für Energieeffizienz, Medieneffizienz (zum Beispiel Wasserverbrauch) und Umweltverträglichkeit (betrifft unter anderem Schmierstoffe und Reinigungsmittel) im Unternehmen.
Am Beispiel Lightweightingzeigte die Referentin den Spagat zwischen Ressourceneinsparung und Funktionalität. Materialreduzierung wird unter anderem erreicht durch dünnwandigere Flasche, gewichtsreduzierten Boden sowie Optimierungen in der Halsgeometrie und im Verschluss, auch durch Einsparung von Etiketten bei Nutzung des Direktdrucks. Grenzen setzen dem Einsparpotential einerseits die Verarbeitbarkeit, insbesondere aber auch die Stabilität der Flasche auf der Palette sowie bei der Handhabung durch den Endverbraucher.
Als interessanter Nebenaspekt kam Klebstoff für das Etikettieren zur Sprache, der in rund 80 verschiedenen Typen eingesetzt wird. In Abhängigkeit vom Markt besteht die Forderung beispielsweise nach koscherem Klebstoff oder veganem Klebstoff, ohne den das Produkt nicht als vegan deklariert werden darf.Der ausführliche Betriebsrundgang durch die Hallen macht die Größe der Maschinen und Anlagen deutlich. Ähnlich dem Fahrzeugbau am Montageband verlassen Takt für Takt Streckblasmaschinen im Leistungsbereich zwischen 15.000 T/h und 82.000 T/h die Halle – allerdings dauert hier ein Takt einen Tag lang, und neun Tage werden benötigt.
Von der Jugendherberge in Bayerisch-Eisenstein führt die Fahrt durch den herbstlichen Bayerischen Wald, in dem der Dunst aus den Tälern in einen tiefblauen Himmel steigt, nach Viechtach.
In einem gemeinsam gehaltenen Vortrag stellten Christina Simpel und Florian Wenig, beide Designer in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, auf jugendlich frische Art und Weise wesentliche Unternehmensschwerpunkte der Firma Linhardt vor.
„Ohne Tube hätte es den Impressionismus nicht gegeben“ (Pierre-Auguste Renoir, französischer Maler). Ihren Ursprung hat die Tube 1841, als der Maler John Rand das Patent für eine Aluminiumtube für Farbe anmeldet. Tuben werden heute in den unterschiedlichsten Branchen eingesetzt und nicht mehr allein aus Aluminium hergestellt. Auch Kunststoff im Schichtverbund (Laminattube, Multiplextube) kommt zur Anwendung, zukünftig sogar kombiniert mit Papier.
Am Standort Viechtach, einem von fünf, befindet sich das Kompetenzzentrum Aluminium mit acht Produktionslinien für die Tubenherstellung und neun für Dosen. Inline werden aus den Alu-Ronden mit Durchmessern von 1…4 cm durch Fließpressen, Formatschnitt, Innenlackierung, Schutzlackierung und Bedruckung Tuben bzw. Dosen produziert, pro Linie 40.000 in jeder Schicht.
Nach dem Betriebsrundgang stellt Johannes Beil, Bereichsleiter Forschung und Entwicklung, innovative Entwicklungen vor, so eine Doppelwanddose, bei der ein Teil des Mantels nach innen umgeschlagen wird. Damit ergibt sich eine Innenwandbedruckung, als AHA-Effekt oder für eine Skala zur Portionierung. Für den Pharma- und Kosmetikbereich von Bedeutung ist eine spezielle Beschichtung, die die Oberflächenspannung von Dosen derart verändert, dass sich weder Bakterien noch Viren festsetzen können und die Oberfläche praktisch keimfrei ist.
In dieser Gesprächsrunde wird auch spontan ein Projekt für das Modul Projektmanagement/Projekt initiiert, so dass die Firma Linhardt für einen Teil der Studenten während des Wintersemesters weiter präsent bleiben wird. Auch für Praktikanten ist Linhardt ein attraktives Unternehmen .
Nach einer typisch bayerischen Brotzeit aus Leberkäs, Weißwurst, Wiener und Brezel startete eine Abschlussdiskussion, in der schwankende Einkaufspreis für das hochwertige Aluminium und die Recycelfähigkeit der Tuben und Dosen angesprochen wurden. Und ob es denn nicht schade sei, dass die aufwendig hergestellte und hochwertig bedruckte Tube in der Regel durch eine Faltschachtel versteckt werde. Die Sekundärverpackung ist aber nahezu unverzichtbar; sie schützt die empfindliche Aluminiumtube vor Eindellungen und Knicken, die die Artikel unverkaufbar machen. Außerdem ist sie mitunter für die Packungsbeilage notwendig.
Ein herzlicher Aufenthalt wurde den Besuchern bei Müller Milch, Aretsried, zuteil, nicht nur, weil mit Joghurt, Milchreis und Buttermilch gut vorgesorgt worden war – falls „der kleine Hunger“ kommt.
Susanne Müller, Marketing und Consumer Service und Urenkelin des Firmengründers, stellte wesentliche Etappen des familiengeführten Unternehmens vor, so die Marktetablierung von Buttermilch und des Joghurts mit der Ecke. Zur gesamten Unternehmensgruppe Theo Müller zählen neben den Molkereiprodukten auch die Sparten Feinkost / Dressing, Filialgeschäft (Nordsee) und Dienstleistungen. Produziert wird an 23 Standorten weltweit, auch unter Handelsmarken, zum Beispiel für Aldi oder Lidl.
Ob eine Umstellung auf Mehrweg-Glasverpackungen angedacht ist, verneinte Susanne Müller mit der Begründung des hohen Aufwandes für die Rückführung, wofür kein System bestehe und was aufgrund der hohen Entfernungen nicht sinnvoll ist. Statt dessen werde auf Recycling gesetzt.
Beim Rundgang faszinierten die enormen Rohrleitungssysteme, obwohl der Standort als „klein“ bezeichnet wird und gegenüber Leppersdorf in Sachsen gerade mal ein Zehntel an Milch verarbeitet. Täglich rund 410.000 Liter Milch, zusammen mit verschiedensten Früchten und anderen Zutaten, werden zu 250 unterschiedlichen Artikeln verarbeitet. Neben der Molkereiproduktion werden aber auch die Folien für das Thermoformen der Becher selbst hergestellt, wobei sich die Folienrezepturen nach dem Produkt richten und zum Beispiel für fetthaltigen Nussjoghurt und Zitronenjoghurt variieren.
Die Verpackungsentwicklung bei Müller Milch umfasst neben der technischen Verpackungsentwicklung auch Innovationsmanagement, Druckmanagement und Food Safty. Etwa 70 Mitarbeiter arbeiten in dezentralen Teams. Ein spannendes Aufgabenfeld, so Sabrina Leda über ihre Tätigkeit, auch aufgrund der Zusammenarbeit mit vielen Abteilungen des Unternehmens wie Einkauf, Technik, Qualitätsmanagement, Marketing und Rechtsabteilung. Erfahrungen im Projektmanagement sind täglich gefragt, auch Kenntnisse in Statistik schaden nicht, um beispielsweise mit Lieferanten über Materialparameter zu verhandeln.
Abschließend stellte Leda Karrieremöglichkeiten vor. Praktikanten und Bacheloranden erwartet ein spannendes und breites Aufgabengebiet. „Wenn man im Supermarkt steht und seine eigene Verpackung im Regal sieht, das ist ein tolles Gefühl!“
Nicht eine Firma stand am Donnerstag auf dem Programm, sondern 1.644 Direkt- und Mitaussteller in 11 Messehallen. Die Fachpack, Europäische Fachmesse für Verpackungen, Prozesse und Technik, bot den Besuchern ein breites Spektrum an Ausstellern unter anderem aus den Bereichen Packstoffe und Packmittel, Drucken und Veredeln, Verpackungsmaschinen und Robotertechnik, Logistik. Für einen optimalen Messeaufenthalt half nur eine Festlegung auf ausgewählte Schwerpunkte. Doch auch das spontane Durchstreifen der Hallen brachte viele neue Erkenntnisse, jede Menge Informationsmaterial und Produktbeispiele zum Mitnehmen.
Die intensive Diskussion in der Firma Edelmann ließ den Schluss zu, dass der letzte Exkursionstag der vielleicht interessanteste war. In dem 105 Jahre alten Unternehmen im schwäbischen Heidenheim dreht sich alles um hochwertige Faltschachteln für die Bereiche Health care, Beauty care und Consumer brands. Letzteres umfasse „alles, was Spaß macht“, so Dieter Mößner, Project Engineer Pharma, mit einem Augenzwinkern, denn er meint damit Pralinen, Alkohol und Zigaretten.
Von der Entwicklung der Schachtel samt Packungsbeilage, sofern gefordert, über Druck und Veredelung, Stanzen und Kleben bis hin zur Codierung und Serialisierung findet alles unter einem Dach statt, einschließlich dem Stanzwerkzeugbau und der kundenindividuellen Farbmischung. Beim Blick von der Galerie in die Produktionshallen beeindruckten deren Größe sowie die Akkuratesse und Sauberkeit an Maschinen und in Zwischenlagern – ein Muss für die Belieferung der Pharmaindustrie.
Digitaldruck ist ein großes Thema in der Faltschachtelherstellung, auch wenn der digitale Faltschachteldruck derzeit nur knapp 3 % ausmache, erklärt Wolfram Hahn, Director Commmercial Development, in seinem Vortrag. Er stellt die Nanografie vor, ein indirektes Digitaldruckverfahren mit hochpräzisem Druckbild aufgrund kleinster Tröpfchen. Das Antrocknen der 0,5 µm dünnen Farbschicht auf dem Gummituch erlaubt die Übertragung auf unterschiedliche Substrate, wobei auch auf sehr saugfähigen ein scharfes Abbild erzeugt wird. In absehbarer Zukunft ist ein erweiterter Farbraum zu erwarten durch Ergänzung des CMYK mit OBG (Orange, Blau, Grün).
Die Landa S10 Nanographic Printing® Press, eine von weltweit drei Maschinen des israelischen Unternehmens Landa Digital Printing, steht im Betatest bei Edelmann und erfreut sich eines großen Marktinteresses. Es ergeben sich neue Anwendungen und Vorteile im Verpackungsbereich. So lassen sich Mindestabnahmemengen reduzieren. In Ländern mit geringer Abnahmemenge könne man damit kostengünstig länderspezifische Schachteln einsetzen anstelle der bislang üblichen Überetikettierung von originalsprachigen Verpackungen. Kleinstserien für Start Ups, Firmen mit kleinem Kundenkreis und spezielle Events sind machbar. Die bislang noch selten genutzte Möglichkeit, über individuelle mitgedruckte Codes Zugang zu Zusatzinformationen zu erhalten, Track & Trace umfassend umzusetzen oder hinterlegte Spiele abzurufen, birgt weiteres Potential für einen Mehrwert der Verpackung.
Hahns Frage, ob er etwas vergessen habe, bringt erneut den Gedanken an ein Projekt ins Spiel, dessen potentielle Bearbeiter das Unternehmen schon mal kennengelernt sowie einen Blick auf die betreffenden Maschinen geworfen haben.
Damit wird noch einmal darauf hingewiesen, dass in allen vier Firmen Studenten für ein Praxissemester und Abschlussarbeiten willkommen sind. Also, bewerbt Euch rechtzeitig, das Praxissemester rückt schnell heran!
Auch nicht vergessen sei an dieser Stelle der Dank an alle Unternehmen für die freundliche Aufnahme, die informativen Besichtigungen und Vorträge sowie die Bewirtung und an Prof. Eugen Herzau und sein Organisationstalent für diese hervorragende Exkursion.
Text: Inés Heinze
Fotos: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von den jeweiligen Unternehmen