Zwischen Urlaub und Semesterstart
26. bis 30.09.2022
Studenten der Verpackungstechnologie auf Exkursion
Mit Gemurmel im Bus geht es durch den Montagmorgen-Berufsverkehr zum ersten Etappenziel der fünftägigen Exkursion: Tettau mit Ortteil Kleintettau in Oberfranken, wo die beiden Standorte Heinz-Plastics und Heinz-Glas besichtigt werden. Das Familienunternehmen blickt in diesem Jahr auf 400 Jahre Firmengeschichte zurück.
Im Betriebsteil Heinz-Plastics werden im Spritzgussverfahren hauptsächlich Deckel und Dosen für Kosmetikartikel verarbeitet. Fünfzig Spritzgussmaschinen stoßen jährlich über zwei Milliarden bunte Teile aus. Auch mancher Sondereffekt kann erzielt werden, in dem beispielsweise Holzpartikel dem Spritzgusswerkstoff zugesetzt und somit Optik und Haptik des Kunststoffs beeinflusst werden. Die Werkzeuge werden in der firmeneigenen Werkzeugabteilung konstruiert und mit modernen CNC-Maschinen mit einer Präzision von zwei bis drei Tausendstel Millimeter gefertigt.
Heiß ist es bei Heinz-Glas neben der Glaswanne, aus der glühend flüssige Glastropfen in den Vorformsatz fallen und von diesem in die Fertigform übergeben werden. Edle Flakons für edle Düfte – das Produktportfolio bedient den mittel- und hochpreisigen Parfümmarkt.
Im Europäischen Flakonglasmuseum gleich nebenan ist der Weg der Glasmacher von mühsamer, schweißtreibender Mundbläserei zur heute modernen, automatisierten Produktion nachzuvollziehen. Die Flakons von weltbekannten Markenparfüms wie Kölnisch Wasser oder Chanel Nr. 5 in Setzkastengröße bis hin zur Literflasche dekorieren zahlreiche Vitrinen.
Das gesamte Verpackungsspektrum – vom Packstoff bis zum abgepackten Produkt, vom Druck bis zur Veredelung, von der Füllmaschine bis zum automatischen Lager – ist auf der Fachpack vertreten. Über 1.100 Aussteller widmen sich den brennenden Themen der Branche: Nachhaltigkeit, E-Commerce und Digitalisierung. Ein wenig erschöpft und fußlahm, aber erfüllt von interessanten Gesprächen, mit neuem Wissen und mit der einen oder anderen Anregung für Praxissemester oder Abschlussarbeit im Gepäck, verlässt der Bus Nürnberg am zweiten Exkursionstag.
Es gibt immer wieder Dinge, die zum ersten Mal passieren – in 30 Jahren Exkursion gab es zum ersten Mal Absagen von gleich zwei Firmen. Doch dank Professor Herzaus umfassendem Netzwerk erklärte sich colordruck Baiersbronn spontan bereit, die dreißig Studentinnen und Studenten aufzunehmen und ihnen einen Eindruck von seiner Verpackungsherstellung zu vermitteln.
Ob für Branchen wie Lebensmittel, Pharma, Süßwaren oder Non-Food – für jeden Bereich wird ein facettenreiches Sortiment an Verpackungslösungen angeboten. Mit zwei von drei Geschäftsbereichen deckt colordruck Baiersbronn im konventionellen Bereich die Großauflagen ab, im Digitaldruck wiederum entstehen Kleinstauflagen ab Stückzahl 1.
Beim Blick auf die aktuelle Adventskalenderherstellung weht ein Hauch Advent auf diesen herbstlichen Mittwoch. Zweieinhalb Millionen Adventskalender für renommierte Süßwarenhersteller entstehen hier zwischen Mai und Oktober. Der dritte Geschäftsbereich stellt das Konfektionieren und Co-Packing dar – Service aus einer Hand von Druck und Veredelung über das Stanzen, Falten und Kleben der Schachteln, das Füllen der Thermoformteile und Konfektionieren des gesamten Kalenders bis hin zur Auslieferungslogistik.
Während eine Gruppe die Produktion besichtigte, diskutierte die jeweils andere über Added-value im Verpackungsbereich und entwickelte zahlreiche Ideen, wie man beispielsweise Überraschungseffekt und Sammelleidenschaft beim Kunden wecken, einen Zweitnutzen der Verpackung generieren oder das Handling vereinfachen kann. Vielleicht ergibt sich hier die eine oder andere Anregung für die Entwicklungsabteilung bei colordruck.
Ein straffes Programm folgt am Tag vier – gleich drei Firmen gestalten den Tag. Die Firmen Rotzinger PharmaPack GmbH und Syntegon Technology GmbH sind beide aus der Robert Bosch Packaging Technology GmbH entstanden und arbeiten am Standort Waiblingen vorwiegend für die Pharmabranche. An diesem Standort gehören Blistermaschinen, Kartonierer und Track-&-Trace-Systeme zum Produktspektrum von Rotziger PharmaPack; Kapselfüllmaschinen sowie Tablettenpressen zum Produktspektrum Pharma Solid von Syntegon. Rundgänge durch die Werkhallen und das Prüflabor, dazu Vorträge geben umfassende Einsicht in die Pharmabranche mit ihrer Verpackungsspezifik.
Benjamin Rist, Faller Packaging, reiste aus Waldkirch an, um mit Packungsbeilage und Etikettierung das Thema zu ergänzen. Serialisierung und Erstöffnungsschutz sind eine große Aufgabe in der Branche. Sie folgen gesetzlichen Vorgaben, um einerseits Verbraucher zu schützen, aber auch Pharmaproduzenten und Krankenkassen vor Imageverlust und Abrechnungsbetrug zu bewahren.
Im Fokus des Tages stand auch immer wieder die Nachhaltigkeit. Die Forderung nach Kunststoffersatz und kreislauffähigen Monomaterialien ist leicht formuliert, Auswirkungen auf Prozessstabilität, Maschinenlauffähigkeit und ‑geschwindigkeit sowie eine sichere Gewährleistung aller Funktionen der Verpackung werden jedoch eher selten angesprochen. Sie aber stellen Maschinenhersteller, Abpacker und Materialproduzenten vor einige Herausforderungen und bedingen umfassende Versuchsreihen. Sollen beispielsweise Kunststoff-Tablettenblister durch geprägte Näpfchen aus faserhaltigem Werkstoff ersetzt werden, zieht das die Entwicklung und Herstellung neuer Werkzeuge nach sich und erfordert konstruktive Änderung an bestehenden Anlagen. Zahlreiche Testläufe zur Versiegelung von Blister und Decklage und zur Lauffähigkeit des neuen Werkstoffes sind erforderlich.
Der letzte Reisetag führt zum Maschinenbaubetrieb Illig in Heilbronn. Hier werden Thermoformmaschinen, Verpackungsmaschinen und entsprechende Werkzeuge entwickelt und gebaut. Die modular konzipierten Maschinen weisen unterschiedlichste Konfigurationen auf für die Verarbeitung von Platten oder Rollen, als Solomaschine oder integriert in Abfüll- und Verpackungsanlagen.
Ein weiteres Thema, dem man sich im Unternehmen stellt, ist die Kunststoffverpackung in der Zukunft. Reduzierung von Kunststoff durch dünnere Folien oder Materialkombination mit faserhaltigem Werkstoff darf die Thermoformbarkeit nicht beeinträchtigen, ebenso Folien aus Recyclingmaterial oder Biokunststoff. Die Kunststoff-Karton-Kombinationen muss für den Verbraucher leicht trennbar sein, beim Umformen jedoch im Verbund stabil bleiben. Im Technikum des Unternehmens gibt es abschließend die Möglichkeit, hinter die Kulissen einer Maschine zu blicken.
Für die Studenten und Studentinnen beginnt nun das fünfte bzw. siebente Semester. Die vergangenen, von online-Lehre geprägten Semester boten kaum Gelegenheit zum Besuch einer Firma. Um so größer ist der Zuspruch zu dieser gelungenen Exkursionswoche gewesen, die so manch theoretischen Vorlesungsstoff anschaulich gemacht hat. Dank für ihr Engagement an alle Beteiligten, die diese Exkursionswoche zu einem vollen Erfolg gemacht haben.
Text: Inés Heinze
Fotos: Inés Heinze, Eugen Herzau