innoPRINT Leipzig 2019
09.11.2019
Digitalisierung, Verbraucherwünsche und bunter Beton
„Die digitale Zukunft beginnt um 9.00 Uhr“, so startet pünktlich der erste Vortrag der dritten innoPRINT-Veranstaltung an der HTWK Leipzig, Fakultät Informatik und Medien, vor den 130 Gästen. Robert Bierfreund von der Druckerei Interprint ist Teil des „digitalen Teams“ seines Unternehmens. Gemeinsam mit zwei Kollegen, Lukasz Witjes und Dennis Wohlleben, führt er in lockerer Vortragsatmosphäre durch ihr Unternehmen. „Wir drucken keine Buchstaben, wir drucken Designs“ – Interprint ist zweitgrößter Dekordrucker weltweit. Küchenplatten, Laminatfußboden, IKEA-Möbel – jeder hat ein Produkt von Interprint zu Hause, auch wenn er das nicht weiß.
Aber was macht ein Tiefdruckunternehmen, das von analogen Produkten in nicht unerheblichen Margen lebt, in einer digitalen Zukunft, die ja längst schon Gegenwart ist? Wie geht man mit steigenden Einkaufspreisen und fallenden Verkaufspreisen, den für den Tiefdruck tödlichen kleiner werdenden Losgrößen, kürzeren Produktlebenszyklen und der Forderung nach immer neuen Designs um?
Die Inbetriebnahme einer Digitaldruckmaschine stellte eine gewaltige Veränderung im Unternehmen dar und ist nicht nur mit Freude und Enthusiasmus verbunden. Ein Strategiemeeting 2018 – da produzierte die Digitaldruckmaschine bereits drei Jahre – führte zu einem entscheidenden Ergebnis. Nicht das Drucken allein wird digitalisiert, die gesamte Wertschöpfungskette wurde durchdacht und das Unternehmen in zwei Sparten aufgeteilt: klassisch analog und digital mit Start-up-Charakter. Es erfolgte der Aufbau einer B2C-Plattform, um Endkunden anzusprechen. Mit neuen Partnerschaften entsteht aus der Dekorfolie gleich das kundenindividuelle Produkt, das heißt die kundenspezifische Küchenplatte oder der Laminatfußboden. Kontakte zu Entscheidern werden aufgebaut, um neben Möbelproduzenten und Laminatherstellern auch diejenigen ins Boot zu holen, die Bauprojekte planen und gestalten.
Aus dem Lieferanten von bunter Dekorfolie ist ein Fullservice-Anbieter geworden – von der Designberatung und ‑entwicklung bis zur Installation des schlüsselfertigen Bauprojekts, eine Neuheit auf diesem Gebiet.
„Prozess und Business – Modelle für die Zukunft“, so das Motto der sich anschließenden Podiumsdiskussion.
Steffen Leistner, Zschiesche GmbH, sieht in der Schaffung digitaler Plattformen für Dienstleistungen ein strategisches Thema für die Druckbranche. Matthias Herfert, Professor für Internationale Betriebswirtschaftslehre der HTWK Leipzig, zollte als der branchenfremde Theoretiker den Praktikern Respekt. Gleichzeitig stellt er die Frage in den Raum, ob Digitalisierung wirklich neu sei. Drei Bücher zum Thema, unter anderem zu Künstlicher Intelligenz, hat er mitgebracht – gedruckt und physisch als klassische Hardcoverausgabe – das ist die „Wichtigkeit der Körperlichkeit“ im digitalen Leben.
Jens Meyer, PXM Süd, ist gelernter Drucker und Buchbinder, er weiß, wie sich Papier anfühlt. Impulse setzen, aufklären, Ängste nehmen sind seine Ratschläge für die Umsetzung von Zukunftsmodellen. Man müsse vorne bleiben; wenn man der zweite ist, ist man der erste Verlierer. Oder kennen Sie eine weitere Suchmaschine nach Google, ergänzt Bierfreund.
Die Kollegen von Interprint betonen noch einmal, wie wichtig es sei, die gesamte Prozesskette zu optimieren. Der Digitaldruck allein hat noch nichts mit Digitalisierung zu tun. Digitalisierung ist eine unternehmensübergreifende Strategie, die nur funktioniert, wenn man seine Leute, die Mitarbeiter, mitnimmt.
Für Druckereien und Verarbeiter bedeutet der Einstieg in die Digitalisierung eine grundlegende Umorientierung, so Leistner. Für den Aufbau digitaler Kompetenz gehört auch ein IT-Spezialist ins Team, bislang unüblich in einem grafischen Betrieb.
Der Vortrag von Georg Abel, Verbraucher INITIATIVE e. V., wendet sich einem weiteren gesellschaftlichen Kernthema zu, das den Alltag eines jeden berührt.
Ökologische, soziale und gesundheitliche Verbraucherarbeit steht im Mittelpunkt des gemeinnützigen Vereins, dessen Leitbild der informierte, mündige und verantwortlich handelnde Verbraucher und seine nachhaltige Lebensweise ist. „Sonst gibt es nicht viele Alternativen für diese Welt“.
Verbraucher haben eine nicht zu unterschätzende Macht in der Konsumwelt. Sie sind einkaufserfahrener, zunehmend individuell geprägt und mitunter widersprüchlich im Denken und Verhalten. Letztendlich entscheidet der Konsument über den Erfolg oder Misserfolg von Produkten und damit von Unternehmen und nimmt durch sein Verhalten Einfluss auf den gesellschaftlichen Lebensstil. Voraussetzung ist allerdings umfassende Information. Nicht einfach, denn der Markt ändert sich ständig, die Welt wird immer individueller, was auch individuelle Information erfordert, und die mediale Reizüberflutung braucht selektierte Information. Glaubwürdigkeitsprobleme, Zeitknappheit und die Komplexität von Prozessen machen einen schnellen Rat für individuelle Handlungsoptionen erforderlich.
Das Thema Verpackung steht ebenfalls im Fokus der Verbraucher. In Deutschland besteht ein extrem ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Unverpackte Konsumprodukte haben einen hohen Stellenwert. Unternehmen entwickeln verstärktes Interesse an nachhaltigen Produkten, Recycling und dem Einsatz von Recyclaten. Auch der Handel ist in Aktion, wie Unerpackt-Läden zeigen oder der Anbau von Kräutern im Supermarkt, um Transporte und Transportverpackung zu vermeiden.
„Hier ist was in Bewegung“, und auch Themen wie Online-Handel einschließlich der hohen Retouren, immer neue To-Go-Artikel in Einmalpackungen, Kaffee-Kapsel-Systeme und Single-Haushalt-Packungsgrößen gilt es anzugehen.
Abschließend gaben zwei Masterstudenten Einblick in ihre Tätigkeit.
Dominik Arnold verbrachte seine Praxiszeit bei Prismade Future of edding, einem Start up in Chemnitz. Das junge, 2016 gegründet Unternehmen entwickelt smarte Technologien, die eine Schnittstelle zwischen digitaler Welt und haptischer, d. h. Printwelt darstellen.Was macht es aus, in einem Start up zu arbeiten? Arnold gibt einen Blick hinter die Kulissen. Ein kleines Team und kurze Wege lassen Vorschläge schnell umsetzen. Jedes Teammitglied hat einen eigenen Kernbereich zu bearbeiten, bringt sein eigenes Know How ein und trägt somit zum Erfolg bei. Jeden Tag wird selbst gekocht in dem kleinen Team, gemeinsame Unternehmungen gibt es, Rückzugsmöglichkeit auch während der Arbeitszeit – eine schöne Arbeitsatmosphäre. Ideen kommen nicht auf Knopfdruck. Aber dies bedeutet auch, die Balance zu erkennen zwischen Freiheit und Eigeninitiative, es heißt motiviert zu sein und Verantwortung zu übernehmen.
„Wir bedrucken alles, was nicht wegläuft.“ Auch Beton. Dieses Baumaterial stand im Mittelpunkt von Josephine Preuß´ Masterarbeit. Aus grauem Beton bunten zu machen, könnte so manche Sichtbetonwand ansehnlicher werden lassen.
Beton ist nicht der typische Bedruckstoff. Neben der Zusammensetzung aus Zement, Sand, Wasser und Zuschlägen beeinflussen auch die Schalung, das Schalungsmittel und gegebenenfalls eine Nachbehandlung die Oberflächeneigenschaften des Baustoffs.
Dass die Bedruckstoffoberfläche das Druckergebnis beeinflusst, ist bekannt. Frau Preuß untersuchte, wie sich verschiedene Schalungsmaterialien auswirken, stellte Betonproben her und bedruckte sie im Sieb- und UV-Inkjetdruck. Preuß untersuchte Zusammenhänge zwischen Farbschichtdicke und Betonrauhigkeit, die Zunahme der Linienbreite gegenüber der digitalen Vorlage sowie die Haftfestigkeit mittels Gitterschnitt und Tesatest. Mit einem Satz lässt sich zusammenfassen: Beton ist mit unterschiedlichen Druckverfahren bedruckbar, die Oberflächenrauheit hat Einfluss auf die Bedruckbarkeit und kann durch das Schalungsmaterial beeinflusst werden. Sicherlich ist für diese junge Print-Anwendung noch viel Forschungspotential vorhanden.
Nicht zu vergessen der herzliche Dank an alle Sponsoren:
FDI e. V., Förderverein der HTWK Leipzig, Gayen & Berns Homan Gruppe, Salzland Druck, vdm Mitteldeutschland
Wir freuen uns, Sie auch im nächsten Jahr zu innoPRINT Leipzig 2020 zu begrüßen:
am 07.11.2020.