innoPRINT Leipzig 2022
21.05.2022
innoPrint im Mai …
… ist wie Weihnachten im August. Es sei kaum zu fassen, wieder vor so vielen Leuten zu stehen. Nach zweieinhalb Jahren coronabedingter Pause eröffnet Beatrix Genest vom SID Leipzig die diesjährige innoPrint-Veranstaltung, die üblicherweise im Herbst verankert ist. Der Hörsaal ist gut besetzt mit Studenten, Absolventen und Vertretern aus Industrie und Institutionen, das Motto der Veranstaltung – Nachhaltigkeit – hochgradig aktuell.
Julia Rohmann, Referentin für Umweltschutz und Arbeitssicherheit beim Bundesverband Druck und Medien, betrachtet in ihrem Vortrag die Druckindustrie unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft. Die lineare Abfallwirtschaft habe ausgedient. Starke Vermüllung und Ressourcenabhängigkeit von anderen Ländern zwingen zum Umdenken und zur Umsetzung einer strikten Kreislaufwirtschaft. 45 % der CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Rohstoff- und Ressourcengewinnung zurück, durch konsequente Aufbereitung von Abfällen können Emission reduziert und Rohstoffe gespart werden.
Mit seinem bereits 2012 in die Wege geleiteten Kreislaufwirtschaftsgesetz ist Deutschland längst Vorreiter. In der Europäischen Union nimmt die Kreislaufwirtschaft gerade Fahrt auf mit dem im Jahr 2020 initiierten Aktionsplan. Er beinhaltet unter anderem Aspekte wie nachhaltige Produktentwicklung, Reduzierung des Abfallaufkommens und sieht vor, bis zum Jahr 2050 eine CO2-neutrale, ökologisch nachhaltige und giftfreie Produktion sowie vollständige Kreislaufwirtschaft umzusetzen.
In der Druckindustrie ist Kreislaufwirtschaft bereits ein Erfolgsmodell. Die Altpapierrücklaufquote in Deutschland beträgt knapp 80 %. Doch Recyclingpapier einzusetzen, ohne die Druckfarbe zu berücksichtigen, ist wie Energiewende ohne Kohleausstieg, vergleicht die Referentin. Bei der Herstellung von Druckerzeugnissen mag das Papier den größten Anteil ausmachen, doch Farben und Lacke, Klebstoffe und Druckhilfsstoffe können seine Wiederaufbereitung erheblich stören. Hier heißt es ganzheitlich zu denken und bereits bei Auswahl von Druckverfahren und Druckfarbe den Recyclingprozess zu berücksichtigen.
Die Auswirkung UV-härtender Farben und Veredelungen wird in der anschließenden Diskussion aufgegriffen. Der Großteil der UV-Farben sei nicht deinkbar, und je kleiner der Film auf der Bedruckstoffoberfläche ist, desto schwerer ist ein Entfernen der Partikel. Die haushaltsüblichen Mengen aus den blauen Tonnen verursachen keine Störungen, Abfälle aus Druckereien hingegen können problematisch sein.
Immo Sander, Absolvent des Studiengangs Verpackungstechnik und heute Leiter der Verpackungsentwicklung bei Werner & Mertz, wechselt vom Papier zum Kunststoff und richtet den Blick auf Verpackungen, wie sie beispielsweise unter der Marke Frosch bekannt sind. Grundgedanke bei Werner & Mertz ist das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das bei Rezepturen der Produkte seit jeher umgesetzt wird, während die Verpackungen lange unberücksichtigt blieben.
Vor nunmehr zehn Jahren setzte ein Umdenken ein. Sander berichtet von einem langen und von heftigen Diskussionen begleiteten Weg, schrittweise recyclatbasierte und recyclingfähige Verpackungen auf den Markt zu bringen. Gegenüber den Primärkunststoffen ist der glasklare Blick auf den Packungsinhalt leicht trübt. Und wie wird der Kunde reagieren, wenn anstelle der markengrünen Verschlüsse in Zukunft – zugunsten eines farbneutralen Recyclings – Flaschen mit transparenten Deckeln die Regalen füllen?
Ziel ist, bis zum Jahr 2025 sämtliche Verpackungen aus 100 % Recyclaten zu produzieren. Dabei kommen ausschließlich PCR – Post Consumer Recyclate, das heißt Abfälle aus dem gelben Sack – zur Anwendung. Weiteres Ziel ist der Einsatz recyclatbasierter Verpackungen auch im Foodsektor. Das Unternehmen sieht sich als Marktvorreiter – zu Recht.
Laut einer Umfrage achten 70 % der deutschen Verbraucher auf nachhaltige Lebensweise, eröffnet Prof. Lutz Engisch nach der Kaffeepause die Podiumsdiskussion, auf der sich die beiden Referenten sowie Prof. Eugen Herzau, Lehrgebiet Verpackungstechnologie an der HTWK Leipzig, und Helmut Schmitz, DSD Duales System Deutschland, den Fragen des Publikums stellen.
Im Gespräch kamen verschiedene nachhaltige Detailthemen zur Sprache. So wollte eine Zuhörerin wissen, ob zur Abfallreduzierung nicht größere Packungen sinnvoll seien – mehr Inhalt, prozentual aber weniger Verpackungsaufkommen; man müsse dann auch seltener einkaufen. Doch größere als die üblichen konsumentengerechten Volumina können kaum angeboten werden. Alternativ seien für einige Produkte Nachfüllpackungen sinnvoll. Auch die Frage nach Standardisierung von Packmitteln wurde aufgegriffen. Mit Blick auf Mehrwegsysteme eine hervorragende Möglichkeit, nur führt gerade die Bierflasche mit ihrer markeneigenen Form und Veredelung diese Idee ad absurdum.
Herzau erklärt, dass der CO2-Fußabdruck zur Beurteilung von Nachhaltigkeit nicht alleiniger Indikator sein kann. Es muss umfassender gedacht werden, Kriterien über den gesamten Lebenszyklus des Produktes, nicht nur der Verpackung, sind vielschichtig. Vermeintlich unnötiger Verpackungsaufwand ist dann gerechtfertigt, wenn sich Ressourceneinsparungen beim Produkt ergeben.
Positiv zur Sprache kam eine zunehmende Verzichtswahrnehmung bei vielen, vor allem jüngeren Menschen, die große Reisen und unnötigen Konsum vermeiden und auf Verpackungen verzichten.
Lisa Jansen, die nach ihrem Bachelorabschluss der Buch- und Medienproduktion in den Masterstudiengang Druck- und Verpackungstechnik wechselte, stellt die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit vor. Dabei greift sie die Recyclierbarkeit von Papieren auf, die mit mineralölfreien Farben bedruckt wurden. Konkret wurden Zeitschriften und Bücher aus dem Verlag Stiftung Warentest untersucht. Generell wird auf Recyclingpapier gedruckt und in Unternehmen produziert, die nach dem Umweltzeichen Blauer Engel zertifiziert sind.
Im Ergebnis der Deinkingtests konnte nicht für alle geprüften Produkte die Recyclingfähigkeit positiv bewertet werden, worauf die Empfehlung an den Verlag ausgesprochen wurde, Gespräche mit den Druckereien aufzunehmen, Ursachen zu klären und in Zukunft zertifizierungsgerecht zu fertigen.
Aufgrund Erkrankung des Referenten übernahm den abschließenden Vortrag Prof. Lutz Engisch. Kilian Menzel, Doktorand im Lehrgebiet Werkstoffe, untersuchte die Recyclingfähigkeit von Biokunststoffen. Für diesen Werkstoff gibt es keine eindeutige Definition, denn Biokunststoffe umfassen die biobasierten und/oder biologisch abbaubaren Kunststoffe. Von den weltweit jährlich produzierten 320 Mio. Tonnen Kunststoffen beträgt ihr Anteil nicht einmal 1 %. Um so wichtiger ist es, diese Materialien genauer zu kennen und als Alternative zu erdölbasierten intensiver in Betracht zu ziehen.
Untersucht wurde die Kompostierbarkeit verschiedener biobasierter Kunststoffe. Dazu steht seit einigen Monaten eine Wurmkiste im Werkstofflabor, deren Bewohner sich aktiv um die Zersetzung der Kunststoffabfälle kümmern.
Die Ergebnisse sind weniger euphorisch, als man bei Biokunststoff erwarten mag. Barrierebeschichtungen, wie sie für den Schutz eines Lebensmittels notwendig sind, verzögern den Abbau. Als das größte Problem wird konstatiert, dass bei der Zersetzung Mikroplastikpartikel zurückbleiben, die in den zukünftigen Kreislauf eingehen und deren Auswirkungen weitgehend ungeklärt sind. Oft vergessen wird auch, dass bei Kompostierung CO2 entsteht und, zumindest industriell, Energie benötigt wird.
Wer im nächsten Jahr dabei sein will bei innoPrint 2023, der merke sich den 11.11.2023 vor.