Digitaler Verpackungsdruck – eine Bestandsaufnahme
27.04.2017
Digitaldruck ist anders.
Mit dieser prägnanten Aussage brachte Simon Lober nach wenigen Minuten seines etwa einstündigen Vortrags das Thema auf den Punkt. Lober stellte dar, wie die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft einen Handlungszwang für Industrie und Wirtschaft bedeutet und auch vor Druck- und Verpackungsindustrie nicht Halt macht.
In der konventionellen Druckbranche steht die Druckmaschine im Mittelpunkt, im Digitaldruck sind es die Informationstechnik und die Chemie. Es geht nicht mehr um Vervielfältigung im klassischen Sinne. Nicht mehr einmal 10.000 identische Exemplare, sondern 10.000 mal ein Exemplar – individuell, einmalig, besonders. Und das Exemplar wird erst gekauft und dann hergestellt bzw. gedruckt – on demand, auf Abruf. Ist dann der Digitaldruck eigentlich noch Drucken, das einst als Vervielfältigungstechnik beschrieben wurde? Aber Drucken haben wir ja längst anders definiert und sehen es als ein Beschichten an, bei dem eine Auflagenhöhe nicht mehr im Vordergrund steht.
Der Digitaldruck ist auf den Kunden und seine Bedürfnisse ausgerichtet. Lässt sich das Qualität-Mehrwert-Preis-Dreieck, das sich um den Kundenwunsch arrangiert, noch verschieben? Die Qualität ist inzwischen weitestgehend ausgereizt. Eine Gegenüberstellung eines Offset- mit einem Inkjetdruckbild macht anschaulich: der Inkjet hat den Offset nicht nur eingeholt, sondern überholt, was die Druckqualität betrifft und vor wenigen Jahren noch nicht absehbar war. Auch am Preis lässt sich kaum etwas ändern. Individualität will bezahlt sein und erfordert gegenüber der konventionellen Verpackung in der Regel den doppelten Preis.
Bleibt der Mehrwert, den die digital gedruckte Verpackung bietet und der in bestimmten Funktionen wie Rationalisierung, Ressourcensenkung, Marketing (aufgrund Einsatz variabler Daten) und Schutz (Track & Trace, Fälschungssicherheit, Indikator) liegt. Nicht zu vergessen der ideelle Mehrwert, wenn nicht mehr das Produkt im Mittelpunkt der Betrachtung steht, sondern der Kunde mit Wünschen, die er vielleicht selbst noch gar nicht ahnte. Ist es nicht eine schöne Vorstellung: das Smartphone meldet sich, verkündet, der Facebook-Freund habe morgen Geburtstag, und schlägt gleich ein Geschenk vor, das der Freund bestimmt unbedingt braucht und das per Klick im Laden um die Ecke geordert werden kann – mit hochindividualisierter Verpackung, am POS gedruckt und abholbereit in 20 Minuten. Die automatische Nachricht beruht auf einer Analyse des Web- und Kaufverhaltens des angeblichen Freundes. Möchte man dieser Freund sein?
Auch wenn aus einem ursprünglich technisch geprägten Workflow nun ein Datenworkflow geworden ist und Daten der neue Rohstoff sind, kommt auch Digitaldruck nicht ohne Technik aus. Im zweiten Teil des Vortrags widmete sich Simon Lober dem Drucksystem, erklärte das Inkjet-Funktionsprinzip, stellte prinzipielle Druckstoffe vor und verwies auf die namhaften Druckkopfhersteller HP, Fuji Film und XAAR.
Die Vorstellung von Einflussfaktoren auf die Farbübertragung – u. a. Rheologie, Gravitation, chemische Zusammensetzung, Viskosität, Oberflächenenergie, Reynoldszahl – und Lobers Aussage, über diese Folie könne man getrost zwei Stunden reden, zeigen eindrücklich, dass sich Aufmerksamkeit in Physik und Chemie durchaus lohnt, um fachspezifische Sachverhalte analysieren und Zusammenhänge verstehen zu können.
Rundum ein gelungener Vortrag, der den digitalen Verpackungsdruck zusammenfasst – als Technik, als Philosophie und Marketinginstrument.
Referent Simon Lober, Absolvent des Studienganges Verpackungstechnik, ist Projektkoordinator im vor anderthalb Jahren initiierten Competence Center Digitaldruck der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) und des Flexodruck Fachverbandes DFTA mit Sitz in Stuttgart. Das Centre verknüpft Beratung, Projekte und Netzwerk, wenn es um das Thema Digitaldruck geht.
Text: Inés Heinze
Bilder: Simon Lober