Totgesagte leben länger!
24.05.2018
Mit dem Drucken ist noch lange nicht Schluss!
Andreas Pieritz leitete seinen Vortrag im lockeren Erzählton damit ein, dass er sich bereits seit der Lehre als Tiefdrucker mit „schmutzigem Papier“ beschäftige und dass er gern an seine Studienzeit in Leipzig zurückdenke. Nach dem Masterabschluss der Druck- und Verpackungstechnik hat Pieritz seinen Berufseinsteig in einem klassischen Bereich der Druckindustrie gefunden – in der Katalog- und Zeitschriftenproduktion bei der Firma Prinovis, Europas größtem Druckdienstleister. In seinem Aufgabengebiet in Verkauf und Kundenberatung fühle er sich ausgesprochen wohl.
Die Umsatzzahlen und Anzahl der produzierenden Beriebe für diese Produkte allerdings sind ernüchternd. Kataloge und Zeitschriften im Offset- und Tiefdruck sind seit Jahren rückläufig.
Warum sich also mit dieser Thematik auseinandersetzen, gar studieren?
Druck bedeutet Emotionen, Druck ist nachhaltig und lädt zum Verweilen ein. Gedruckte Zeitschriften und Kataloge sind hervorragende Beispiele, dies zu beweisen. Sie behalten trotz veränderter Mediennutzung ihre Existenzberechtigung, doch heißt es, diese Produkte geschickt umzusetzen, aufzuwerten und im Medienmix zu etablieren. Das sind Herausforderungen, und wer auf Herausforderungen keine Lust hat, der solle ein anderes Fachgebiet wählen.
Einige Innovationen und clevere Ideen zeigte der Referent exemplarisch auf.
Der Katalog stellt das Bindeglied zwischen Hersteller oder Händler und Käufer dar. Er repräsentiert ein Produkt so, dass der Käufer es unbedingt haben möchte, und lädt zum Stöbern und Blättern ein. Die Wertigkeit des Katalogs oder Werbemittels überträgt der Leser dabei auf das beworbene Produkt. Dem wird der Werbende u. a. durch Materialauswahl gerecht, wie Discounter in der Vergangenheit bewiesen – aus billigen Zeitungspapier wurde Illustrationsdruckpapier.
Bei Rückstichbroschuren bestärkt zudem ein hochwertiger Umschlag den Eindruck. Im Rotationsdruck mit integrierter Broschurenfertigung war es bislang nicht möglich, Umschläge höherer flächenbezogener Masse zu verarbeiten. Genau genommen ist es das heute auch nicht, aber mit einem verarbeitungstechnischen Trick entsteht dennoch ein schwererer Umschlag: durch Verkleben von zwei übereinandergeführten Bahnen des Inhaltspapiers durch vollflächigen Klebstoffauftrag wird die Masse des äußeren Viertelbogens verdoppelt.
Personalisierung und Kundenansprache sind weitere Aspekte im Katalogbereich. Damit ist weit mehr als der Aufdruck einer Adresse und Anrede gemeint. Anhand des Kaufverhaltens und unter Auswertung weiterer Kundeninformationen hat ein Anbieter seine Kataloge individuell auf den Empfänger abgestimmt. In einer Auflage von über zwei Millionen Exemplaren wurden zu einem einheitlichen Inhaltsblock individuelle Umschläge, die sich in der Farbe des abgebildeten Kleidungsstücks und einem aufgestickten Motiv unterschieden, digital gedruckt.
Ob dem Käufer nun durch diese kundenspezifischen Angebote die Möglichkeit genommen wird, sich jenseits seines bisherigen Kaufinteresses inspirieren zu lassen, und die Produktindividualität zum Nachteil gereicht, konnte aber in der Diskussion nicht abschließend geklärt werden.
Richtig interessant wird der gedruckte Katalog aber in Kombination mit Internet und APPs. Im Medienmix lässt sich die Attraktivität der einzelnen Medien erst richtig ausspielen.
Als einfaches Beispiel steht hier das Abfotografieren eines im Katalog gedruckten Artikels mit Smartphone oder Tablet, was direkt auf die entsprechende Seite im Online-Katalog führt, ohne lästige Linksuche. Ein einziger weiterer Klick, und der Warenkorb ist gefüllt.
Eine entsprechende APP erweitert den Betrachtungsraum dahingehend, dass das fotografierte Objekt, ein Möbelstück beispielsweise, farblich und in der Ausführung variiert und in den eigenen vier Wänden platziert wird. Es fehlt bloß noch das Probesitzen – hier gibt es für Augmented Reality noch Entwicklungspotenzial.
Im Modebereich geht es nach dem Ablichten der gewünschten Modelle von der gedruckten Seite zur virtuellen Anprobe, einschließlich Kombinieren von Kleidungsstücken, Variieren deren Farbe und Ergänzen mit Accessoires. Voraussetzung hier ist allerdings, dass man sich im Store des Händlers vorab hat dreidimensional einscannen lassen.
Der Referent stellte hochspannende Beispiele dar, die aus dem klassischen Druckprodukt Katalog ein multimediales Erlebnis machen. Er wirft aber auch ein, dass diese Maßnahmen mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sind und das Aufwand-Response-Verhältnis sorgfältig abzuwägen sei.
Ein abschließender Blick in den Zeitungs- bzw. Zeitschriftenbereich zeigt eine interessante Entwicklung einer renommierten Tageszeitung. Die täglichen News werden immer weniger aus dem gedruckten Tageszeitungen abgerufen, während wöchentlich erscheinende Ausgaben relativ stabil bleiben. Über die Auswertung der online genutzten Beiträge gibt es nun eine wöchentliche gedruckte Zusammenfassung der am häufigsten aufgerufenen Ereignisse.
Als Resümee lässt sich zusammenfassen, dass nicht allein der Markt entscheidend ist für eine Branche, sondern wie sich ein Unternehmen aufstellt und wie man selbst in seinem Job agiert. Im unmittelbaren Tätigkeitsbereich des Referenten beispielsweise machen Beratung und Kompetenz den Unterschied gegenüber bloßem Verkauf.
Text: Inés Heinze