Was druckt die Deutsche Bahn?
23.05.2019
Die Digital- und Printmedien als Dienstleistung in der Wirtschaft anhand der Deutschen Bahn?
Wer bei Druckprodukten der Deutschen Bahn an das Kursbuch denkt und eine abgewetzte Broschur mit umgeknickten Seiten vor Augen hat, studiert entweder Museologie oder ist in einem Antiquariat unterwegs. Natürlich spielen Fahrplaninformationen eine große Rolle, insbesondere, wenn man an Baustellen mit Fahrplanänderungen, Zugausfällen und Schienenersatzverkehr denkt. Aber diese gedruckten Aushänge in den Bahnhöfen machen nur einen kleinen Teil im großen Printsektor der Deutschen Bahn aus.
Der Hörsaal ist gefüllt bis auf den letzten Platz, als Frank Eppers, Key Account Manager der Deutschen Bahn DB Kommunikationstechnik GmbH, seinen Vortrag beginnt. Was hat die Deutsche Bahn heute mit Drucken zu tun?
Die DB Kommunikationstechnik generiert heute an 19 Standorten in 13 Städten 50 Mio. Euro Umsatz pro Jahr. Um die jährlich 200.000 Aufträge mit 2,8 Mio. zu verschickenden Sendungen auszuliefern, transportiert zweimal täglich ein DHL-LKW Briefe und Pakete in die Verteilzentren.
Das Portfolie an Drucksachen ist breit gefächert, ebenso breit wie der Konzern Deutsche Bahn selbst, der über 20 Sparten umfasst, neben DB Fernverkehr, DB Regio und DB Vertrieb u. a. auch die DB Gastronomie, Fahrzeuginstandsetzung, Bahnbau Gruppe, Sicherheit und Cargo, und für diese Bereiche ist Kommunikationstechnik Mediendienstleister.
Beim – mitunter unfreiwillig langen – Bummeln über einen Bahnhof wird deutlich, dass außer Fahrplaninformationen etliche Publikationen zu finden sind; das Bahn-Mobil-Magazin, Streckenpläne, Ausflugsinformationen oder auch das Fahrgastrechte-Formular. Beklebte Treppenstufen, Banner und Roll-Ups informieren über Regionales und Überregionales.
15 Mio. Reisende transportiert die Bahn täglich. Auch wenn elektronische Fahrkarten oder online gebuchte und am heimischen PC ausgedruckte in der Nutzung zunehmen, werden Automatentickets und Bahncards benötigt. Fahrscheinlogistik ist ein eigener Bereich, denkt man nur an die Sicherheitsmerkmale, die Tickets und Bahncards vor Fälschungen und Missbrauch schützen sollen.
Die 340.000 Mitarbeiter der Bahn werden mit Visitenkarten ausgestattet, wofür der Referent pro Jahr 250.000 Euro Umsatz angibt – ein kleines gedrucktes Kärtchen von nicht unerheblicher Bedeutung. Hinzu kommen Unterlagen für Schulungen und Tagungen. Für derartige Schulungs- und Werbemittel gibt es einen Logistikbereich, in dem auf Abruf gewünschte Unterlagen in erforderlicher Anzahl abgerufen und versandt werden. Das Logistikzentrum verfügt über 4.000 Palettenstellplätze und 25.000 Lagerplätze für Kleinteile sowie die entsprechende Verwaltungssoftware für diese Publikationen.
Die jährlich 3.500 Auszubildenden erhalten individuelle Ausbildungsordner, sowohl in Print als auch digital, zugeschnitten auf das jeweilige Ausbildungsprofil.
Für Veranstaltungen in Konzernbereichen werden Flyer, Einladungen, Messestand-Ausstattungen, Footprints zur Bodenkennzeichnung und vieles mehr benötigt. Allein in diesen wenigen Beispiele wird die Vielfalt auch an zu bedruckenden Substraten deutlich.
Für Werbekampagnen besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Post, die über den größten Adresspool verfügt. Aufgrund des soziodemografischen Datenpotentials können nicht nur gezielt Haushalte in betreffenden Streckenabschnitten über Fahrplanänderungen und Umleitungen informiert werden, sondern Einladungen zu Events, Werbung für Bahncard u. a. verschickt werden. Dafür wird vielfach auch Bildpersonalisierung eingesetzt, die gegenüber klassischer Personalisierung höhere Response erzielt. Da der Mensch trotz Digitalisierung haptisch und multisensorisch veranlagt ist, spielt auch Veredlung eine große Rolle und Prägungen, Reliefoberflächen, Duftlacke und Fluoreszenzfarben kommen zum Einsatz.
Im Segment Large Format Printing entstehen Fußbodenplakate, Deckenbanner, Beschriftung an Treppen und Reisezentren sowie Druckprodukte für Außenanwendungen auf Loks, Hängern und Brücken. Auch die Busflotte der DB wird attraktiv ausgestaltet, innen wie außen. Die Baustellenschilder, die an der Strecken benötigt werden, entstehen in der konzerneigenen Siebdruckerei.
Zudem obliegt dem Unternehmensbereich die Archivierung u. a. von Bauplänen der verschiedenen Züge oder Bahnhöfe, wichtig für Instandhaltung und Reparaturen. Dafür stehen rund 90 Kilometer Regallänge auf 4.000 Quadratmetern Fläche zur Verfügung.
Natürlich sind diese Unterlagen auch digitalisiert, so dass extern von beliebigen Standorten darauf zugegriffen werden kann. Damit zu einem weiteren Schwerpunkt des Vortrags – das Thema Digitalisierung.
Über Web-to-Print-Portale werden Templates, z. B. für Baustelleninformationen und Fahrplanänderungen, zur Verfügung gestellt, die extern gestaltet und dann an einem der 19 Kommunikationstechnik-Standorte gedruckt werden. Die Entwicklung von APPs gehört dazu wie auch interaktive PDFs, die Eppers beispielhaft demonstriert. Über Farbvariation werden Kapitel differenziert, ein Klick auf die gewünschte Headline bringt den Nutzer zielsicher zur gewünschten Information – ganz ohne endloses Seitendurchblättern und Suchen. Übrigens ist auch der Azubiordner auf diese Weise verfügbar.
Die anschließende Diskussion leitete Frau Prof. Herzau-Gerhardt, die einst Frank Eppers in seiner Abschlussarbeit betreute und erfreut ist über den langjährigen Kontakt. Eine Fülle von Druckprodukten sei vorgestellt worden, die deutlich macht, dass Drucken weit mehr ist als Flyer. Der Referent spräche ihr damit aus dem Herzen, denn genau das wird vermittelt im Unterricht und auf den zahlreichen Informationsveranstaltungen zum Studiengang Digitale Print-Technologien.
Ihre erste Frage bezieht sich auf Kooperationsbeziehungen mit anderen Print-Unternehmen. Ja, da sei beispielsweise Achilles zu nennen, die Ordnersysteme und verschiedene Veredelungen umsetzen, z. B. klassischen UV-Lack und Kaschierung. Außerdem gäbe es 14 Ferienheime der Deutschen Bahn, auch dafür werden Druckprodukte gebraucht, u. a. Fahnen. Ebenso existieren Rahmenvertragspartner für die Produktion von Give Aways.
Wie wird das Corporate Design sichergestellt, so eine weitere Frage. Ein Aspekt ist der Einsatz einheitlicher Bedruckstoffe. Die Rahmenvertragsagenturen sind hier in der Pflicht, nicht nur bezüglich Farbetreue, auch Schriftart und Schriftgröße seien betroffen. Zur Vereinfachung wurde vor einiger Zeit eine Vereinheitlichung des DB-Logos für nahezu sämtliche Bereiche des Konzerns vorgenommen.
Ob die Dokumentenlogistik die Bahn selbst übernimmt, möchte ein Zuhörer wissen. Hier gibt es Verträge mit der DHL, auch mit anderen Logistikern, z. B. regionalen Stadtboten.
Was war wichtig im Studium, mal abgesehen von Messtechnik und Qualitätsmanagement – diese Frage stellt der MT- und QM-Spezialist aus dem Kollegium. Eine gute Frage, so der Referent. Er habe nicht gedacht, dass man als Drucker doch so viel Chemie braucht, Physik und Grenzflächenphänomene. Aber beispielsweise kann man so die Funktionsweise von Adhäsionsfolien verstehen, die für kurzfristige Werbung eingesetzt werden. Oder Mathe und Statistik – so lange etwas messbar ist, kann man es verändern, kann man es regeln. Es gibt immer bestimmte Sachen, von denen man erst später in der Praxis merkt, wie sehr man sie braucht. Wer breit aufgestellt sein will im Berufsleben, für den ist alles relevant.
Prof. Herzau-Gerhardt lacht. Nein, diese Antwort war nicht vorabgestimmt, aber sie spricht mir und den Kollegen aus dem Herzen.
Text: Inés Heinze